Freitag, 17. Oktober 2014
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Vorweg. Ich habe den Blogeintrag gestern verfasst bevor ich von dem Schneesturm-Unglueck erfahren habe. Es ist sehr schlimm und ein bisschen truebt es meine Stimmung heute frueh. Mein tiefes Mitgefuehl geht an alle Angehoerigen und Freunde der Opfer.

Meine Euphorie mit der ich gestern Abend den Eintrag verfasst habe, ist etwas verblasst und mir kommt der Eintrag schon fast etwas naiv vor. Ich bin trotz Hoehenflug stets vorsichtig und mir ueber Gefahren hier bewusst. Man muss sich um mich nicht sorgen. Ich habe das Trekken in den Bergen auf den naechsten Nepal-Aufenthalt verschoben. ;) Und andere Gefahren versuche ich ebenfalls aus dem Weg zu gehen, vielleicht sogar zu sehr, aber ich habe es versprochen, dass ich auf mich aufpasse. Nepal ist zusaetzlich im Gegensatz zu Indien z.B. sehr viel einfacher und sicherer zu bereisen, das bestaetigt hier auch jeder Traveller, der schon dort war. Natuerlich gibt es auch hier immer wieder Leute, die in mir als Touristin eine Geldmaschine sehen, die man verarschen kann und auch sonst gibt es hier und da recht skurrile Wesen. Man muss kuehl bleiben und viel ignorieren und einen klaren Kopf bewahren. Alleine auf dem kurzen Weg zum Internetstore gerade wurde ich von fuenf Bettlern teils sehr penetrant... ja, man kann belaestigt worden sagen. Ach herrje, ich verliere mich schon wieder in Gedanken, dabei wollte ich nur ein kurzes "Vorweg" verfassen. Wichtig zu erwaehnen an dieser Stelle aber ist noch, dass mir vor allem die Menschlichkeit und Offenheit der Nepalesen gefaellt und ich mich hier vor allem durch sie so gut fuehle. Aber ach... lest selbst:

Die vielen Eindrücke, der anfaengliche Kulturschock und die neue Umgebung waren wohl Grund, dass ich schon nach drei Tagen Fieber bekam. Eine Woche lang verbrachte ich größtenteils im Bett meines Guesthouses und in einem kleinen, sehr gemütlichen Restaurant (mittlerweile eine Art Heimat) mit einer älteren, herzlichen und witzigen Dame, die mich auch netterweise zu einem tibetischen Mönchsarzt brachte. Es wurde sich rührend um mich gekümmert. Auf heißes Wasser schwört hier jeder und ich kann nur bestätigen: es hilft.

Obwohl gebunden an mein Bett erlebte ich trotzdem ein kleines Abenteuer als eines Nachts ein Gewitter über Kathmandu zog. Selbst mir als Gewitterliebhaberin jagte es ein klein bisschen Angst ein. Blitze so hell, dass sie blendeten. Fast zeitgleich Donner, die mir in den Ohren weh taten. Das Fieber schärfte mein Empfinden zusätzlich. Und als sei das nicht genug, bebte bei jedem Blitz (Abstände zwischen den Blitzen lagen bei wenigen Sekunden) die Erde wie ich es ebenfalls zuvor noch nie erlebt hatte. Und das ganze ging über eine Stunde. Zwei Tage später erfuhr ich aus der Zeitung, dass bei dem Gewitter fünf Menschen umgekommen und sechs schwer verletzt wurden. Traurig. So etwas kommt auch hier selten vor. Eingeschüchtert von der Natur und platt vom Fieber lag ich also im Bett rum und zählte die dunklen Flecken an meiner Decke.

Nachdem ich wieder gesund war, ruhte ich mich noch wenige Tage in Bodnath aus und sammelte Kraft. Ich traf nette Menschen, durfte in den Genuss einer Singing-Bowl-Therapie kommen (Klang und Vibration sollen Körper und Geist in Schwingung versetzen und auf bestimmte Weise eingesetzt zu Heilung verhelfen) und mit Klangschalen spielen, besuchte Tempel, erkundete den Ort und das Essen, bekam viele Eindrücke über Buddhismus und war dabei als ein wichtiger Buddhist (ein ähnlich hohes Tier wie der Dalai Lama, genaue Erklärung würde jetzt zu lange dauern) die Stadt besuchte um hier seinen Geburtstag zu feiern. Tausende von Menschen aus ganz Nepal kamen angereist und einen ganzen Tag lang gab es kleine Konzerte und Tanzauftritte ganz im Nepal-Style.

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Ich begann unruhig zu werden und wollte weiter ziehen. Da das größte Hindu-Festival, Dashain, bevor stand, war es schwer ein Bus-Ticket zu beschaffen, da die meisten (wie bei uns zu Weihnachten) zu diesem Fest in ihre Heimat fahren. Mein Ziel war eine Teefarm weit weit im Osten. Aber wieder mal mit der Hilfe der Einheimischen bekam ich ein Ticket nach Ilam schon zwei Tage später. (Und eine kostenlose Fahrt im asiatischen Festival-Verkehr auf einem Motorbike... mulmig zu Beginn, gegen Ende im Flow).

Tag der Abreise. Nach 5 Stunden Verspätung und vielen vielen unterschiedlichen Auskünften bezüglich meines Busses erreichte dieser tatsächlich noch den Busbahnhof (sehr groß, sehr voll, sehr laut). Wieder mal nur mit der Hilfe von einer netten Familie, die am Busbahnhof ein kleines „Café“ betreibt und mir während der Wartezeit immer wieder Tee gab und mich zwang mich hinzusetzen und zu relaxen (klappte gegen Ende erstaunlich gut), bekam ich meinen Bus. 18 Stunden eingequetscht (Gruß an Britta), kein Schlaf, ne Menge Hitze, überflutete Raststättenklos und kotzende Menschen (die Fahrt war sehr sehr ruckelig und unbequem) und ich kam erschöpft und mit wackligen Knien in Phikal an, ein Ort ganz im Osten Nepals, wo ich für zwei Wochen auf einer Teefarm lebte und arbeitete. Und zusätzlich das nepalesische Farm-Leben und die Mentalität der Menschen anfing in mein Herz zu schließen.

Und weil ich euch nich mit so viel Geschreibsel langweilen will:

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(Tiefer Schlaf und eine Menge bunter und abgefahrener Träume...)


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(Ich vermisse meine Gitarre. Sehr.)


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(Momo nennt sich eine nepalesische Nationalspeise und ist eine Teigtasche gefüllt mit einem Brei aus Kraut und... variiert... Das Kochen mit den Leuten hat mir immer besonders viel Spaß gemacht.)


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(Kaushila und ich beim Rollen des Tees.)


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(Einer meiner Lieblingsorte, der Feuerofen. Peace.)


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(Green. Golden. Black. Alle vom selben Strauch, alle anders verarbeitet.)


Ich habe ja oben schon von dem großen Hindu-Fest geschrieben... Es war schön inmitten einer großen Familie zu sein, so viel anders als zu einer Familienfeier in meiner Familie war es nicht. Leider verstand ich kein Wort, aber die Art wie alle miteinander umgingen und wie sie redeten und lachten erinnerte mich arg an meine Familie.
Ein paar Worte Nepali kann ich schon, was zu manch Erheiterung führte.

Nach einem ganzen Tag umgeben von dutzenden Nepalesen und viel Gequassel um mich herum (und viel Lachen), war ich sehr erschöpft und kam mir etwas verloren vor. Es ist nicht alles nur wunderbar gewesen und ich will auch die Gefühle und Gedanken hier erwähnen mit denen ich anfangs etwas zu kämpfen hatte. Es hielt sich alles in gesunden Grenzen und ist bestimmt normal für jemanden, der zum ersten mal alleine reist und sich in einem fremden Land mit riesigen Spinnen zurecht finden muss, in dem man als Albino ständig angestarrt wird als wäre man ein Alien und um sich herum kein Wort versteht. Aber ich kam von Tag zu Tag immer besser damit zurecht und es gab trotz alledem nicht einen Moment in dem ich es bereut hatte hier her gekommen zu sein. Es gibt nur hier und da Momente, die ich zu gerne teilen würde oder die ein oder andere Person einfach gerne an meiner Seite hätte...

Aber mir geht es sehr gut und ich war glaube ich schon lange nicht mehr so ausgeglichen wie ich es gerade bin. Auch die Momente in denen ich die Armut hier stärker wahrnehme und in denen ich mal ungeduldiger und nicht so gut drauf bin (ja, natuerlich gibt es die), bringen etwas mit sich, was mich runter holt und mein Bewusstsein schärft. Über mich selbst, meine Gewohnheiten, meine Bedürfnisse, meine Macken und Bewusstsein über das, was ich in Deutschland habe und hier nicht. Erfahren, dass man bewusster über sein Leben denken kann wenn man auf Reisen ist, ist etwas anderes als es nur zu wissen. Das Wissen hatte ich schon vor meiner Reise. Hm. Jedenfalls...






...








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... ist das die kleine Wassermuehle auf der Farm, in die ich mich etwas verliebt habe.

Nach einer sehr viel angenehmeren Rückfahrt (magisch: das erste mal das Himalaya-Gebirge gesehen, angestrahlt von der Morgensonne) bin ich nun wieder in Bodnath und gönne mir ein paar Tage Rast und buddhistische Gesänge und Wanderungen um die Stupa. Wobei ich schon jetzt nach zwei Tagen merke, dass ich kein Bock mehr auf Stadt und den Lärm hier habe und mich meine ersten Erfahrungen auf einer Farm hier ganz schön heiß auf mehr gemacht haben. Die Einfachheit und die kleinen Dinge sind es, die dort zählen und das gefällt mir sehr sehr gut.

Mit diesen Worten verabschiede ich mich für dieses mal und hoffe, dass es euch allen gut geht.

Namaste.




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