Samstag, 28. Februar 2015
4 - Last Chapter
Ich hatte am 2.1. folgenden Eintrag verfasst, mich dann aber doch gegen Veröffentlichung entschieden. Warum, kann ich nicht mehr genau sagen. Es war ne besondere Zeit. Lest selbst...

Lang lang ist's her. Wollte mich aber auch nicht zum Schreiben zwingen. Dachte mir aber, so am zweiten Tag des neuen Jahres kann ich mir mal die Zeit nehmen und seit zwei Tagen befinde ich mich erneut in Pokhara und es ist nach wie vor inspirierend. Sitze auf der Terasse meines Guesthouses und hinter mir spielt jemand Gitarre, vor mir sehe ich den See und die Berge und frage mich, ob ihr das überhaupt wissen wollt...

Wo war ich stehen geblieben? Oje, noch vorm Trekken... mir kommt das schon so lange her vor, aber ich denke sehr gerne daran zurück. Gerne würde ich meinen Gesichtsausdruck und das Leuchten in meinen Augen in Worte fassen können, wenn es darum geht. Denn mir fällt es schwer dieses Gefühl, das mir der Trekk gegeben hat, in Worte zu fassen. Es war sehr sehr gut und obwohl es vermutlich (bis dahin) das anstrengendste war, was ich in meinem Leben gemacht habe, habe ich jede Minute, jedes "ich kann nicht mehr, meine Beine zittern zu sehr" genossen. So viele Stufen, soooo viele Stufen, die ich genommen habe, bloß um irgendwann auf 3000 Meter Höhe um sechs Uhr morgens den Sonnenaufgang zu beobachten ... warum macht man so Scheiß? Ich habe ja schon von der Anziehungskraft der Berge geschrieben und diese Kraft, die mich von weitem angezogen hat, schien mich während des Trekks immer wieder anzutreiben. Es steckt so viel Energie, so viel Leben in diesen Bergen, ich finde das noch immer verrückt.

Unser Trekk führte uns anfangs an einem Fluss entlang, durch große Felder zu den großen Bergen vor uns. Dann erinnere ich mich nur noch an viele viele Stufen... ich habe irgendwann aufgehört nach oben oder vorne zu schauen, denn wenn man denkt, man kann nicht mehr und vor sich noch hunderte von weiteren Stufen sieht, dann kann man tatsächlich nicht mehr und es bleibt schwer. Eine... Stufe... nach... der... anderen... eins... zwei... eins... zwei... ein... aus... ein... aus... ein... aus... Außer Puste kurze Rast und weiter geht's. La... la... la... la... la... eins... zwei... eins... zwei... ei... aaahh.... scheiße!!! Wann zur Hölle... sind... wir... denn... endlich... da?... so oder so ähnlich waren meine Gedanken die ersten beiden Tage als es so gut wie nur bergauf ging. Ich hatte erwartet, dass ich während dem Trekk über viele Dinge mal in Ruhe nachdenken kann, aber nö, ich dachte eigentlich kaum und das war es wohl, was mich so beflügelt hat. Das uns diese krasse körperliche Anstrengung. Den ganzen Tag mein Herz zu spüren und wie es arbeitet, hat mich hin und wieder darauf aufmerksam gemacht, wie schön es doch ist, dass ich gesund und am Leben bin. Peace Freunde.

Hm. Ich denke an die Wälder, durch die wir getrekkt sind, diese unbeschreibliche Natur, die frische Luft und die vielen Bäume, die (und das mag an der Höhenluft gelegen haben oder an dem Zustand, den ich durch arge körperliche Anstrengung und wenig Denken erreichen kann) so lebendig wirkten, ehrlich. Es war alles wie verzaubert, ein Troll oder ein Geist hinter einem Baum hätten mich nicht verwundert. Es waren keine Drogen im Spiel. Bloß die Berge, die Natur in Kombination mit meinem bunten Hirn. Erwähnen will ich auch die Strecke in der wir durch Bäume gewandert sind, deren Wurzeln als Stufen dienten. Es wirkte auf mich so als würden die Bäume das wissen und uns helfen wollen. :D Alter, ich muss da wieder hoch, so im Nachhinein finde ich das sehr witzig und der Kerl neben mir gerade muss mit mir lachen. Er weiß nicht worüber, aber er lacht mit.

Fotos können nicht ansatzweise rüber bringen, was ich da erlebt habe. Ich entscheide mich komplett gegen Bilder, nehmt es mir nich übel. Es macht wenig Sinn.

Der Flow nach dem Trekk als ich wieder in Pokhara angekommen war, war ebenfalls unbeschreiblich. Selten habe ich mich so leicht gefühlt, so erschöpft und gleichzeitig so energiegeladen. Das fette Grinsen auf meinem Gesicht verschwand erst nach etwa drei Tagen wieder. Der Muskelkater und das Laufen wie ein Roboter ebenfalls. Ich möchte irgendwann im Leben wieder trekken, dann in höhre Gebiete, wo ich auch Yaks sehen kann und anfassen und mit ihnen umher laufen. Ein anderer Traveller hat mir davon erzählt und er sah so selig dabei aus, das muss was ganz besonderes sein.

Ich habe viel Zeit hier in Pokhara verbracht, weil dieser Ort wie oben schon erwähnt sehr inspirierend und friedlich ist. Ich hatte hier eine Gruppe von Leuten gefunden, darunter auch eine Hamburgerin, Julia, mit der ich mich auf Anhieb gut verstand und mit der ich mich über viele, sehr persönliche Dinge unterhalten konnte und ebenso gut über ne Menge Mist, viel gelacht hab ich in der Zeit. Nach wochenlangem alleine reisen und so vielen Gedanken und Eindrücken und kleinen Einsamkeits-Tiefs (siehe vorheriger Eintrag) genoss ich die Zeit und auch wenn hin und wieder der Gedanke aufkam, dass ich meine Zeit hier in Nepal auch "sinnvoller" nutzen könnte, bereue ich absolut nichts. Eine kleine Party an Vollmond mit Lagerfeuer und Gitarrenmusik und lustigen Leuten um mich rundete meine Zeit in Pokhara ab, bevor es dann zurück nach Kathmandu ging.

Grund für meine Kathmandu-Rückkehr war ein Vipassana-Meditations-Kurs. Als ich in Kathmandu ankam und schon wusste, wo ich wie hin muss, welchen Bus ich nehmen muss, wo ich was finde etc, da spürte ich so etwas wie Heimatgefühle und ich habe die Stadt nicht ansatzweise so chaotisch und verwirrend erlebt wie zu Beginn. Das war ein sehr schönes Gefühl und ich stellte fest, dass ich Kathmandu, trotz viel viel Lärm und Luftverschmutzung, vielen Menschen, vielen kranken Straßenhunden und viel Armut, echt gerne habe.

Wer aufmerksam beim Lesen war, hat bemerkt, dass nach dem Trekk etwas folgen sollte, was noch anstrengender war als der Trekk. Mag vermunderlich wirken, aber der Meditations-Kurs hat mich bisher in meinem Leben am meisten gefordert, körperlich wie geistig.

Vipassana ist eine Technik, die von Buddha höchstpersönlich vor 2500 Jahren entdeckt und entwickelt wurde mit dem Ziel, den Geist zu reinigen um "die Dinge zu sehen, wie sie sind", frei zu werden von allem Leid und so weiter. Ich könnte mich hier jetzt stundenlang mit Erklärungen und Erläuterungen rumschlagen, aber ich kann es definitiv nicht begreiflich machen, da es eine Sache ist, die man erleben muss. Ich will auch nicht zu verblendet klingen, für manch einen (vor allem Skeptiker und die, die in Mediation nur irgendwas sehen, was durch langweiliges Rumhocken Entspannung bringen kann, wenn man daran glaubt usw.) könnte eine genauere Ausführung zu abstrakt klingen und ich will nicht, dass irgendjemand glaubt, dass ich hier in die Fänge einer Sekte gelangt bin oder ähnliches. ;)

Die ganze Angelegenheit war mehr als pragmatisch und es geht in keine bestimmte Glaubensrichtung, auch wenn die Technik von Buddha entwickelt wurde. Vipassana-Kurse werden auf der ganzen Welt gelehrt, in eigenen Zentren, in Kirchen, in Moscheen, in hinduistischen Tempeln und und und... es ist ein universelle Technik, jeder kann sie sich zunutze machen. Im größten Gefängnis in Indien mit mehreren tausend Insassen ist der erste Vipassana-Ashram (ein Ort an dem Meditation gelehrt und praktiziert wird) entstanden, nachdem ein Versuch durchgeführt wurde indem Insassen an solch einem Kurs teilnehmen mussten. Die Ergebnisse übertrafen alle Erwartungen (Massenmörder fielen unter Tränen ihren Wärtern in die Arme und das war und ist kein Einzelfall) und mittlerweile werden dort zwei Kurse monatlich gehalten, um die Häftlinge zu sozialisiseren, ihnen zu helfen und zu besseren Menschen zu machen. Es gibt Gefängnisse in Amerika und so weit ich weiß auch in Europa, die von den Erfolgen gehört haben und sich ein Beispiel daran genommen haben und mittlerweile ebenfalls diese Kurse in ihren Gefängnissen halten. Dass die Regeln eines solchen Kurses strenger sind als die im Gefängnis, auch das wird immer wieder von Häftlingen bestätigt...

Um vier klingelte jeden Morgen die Glocke, um halb fünf begann die erste Meditation, zwei Stunden. Mini-Frühstück, Meditation, Mittagessen, Meditation, Teepause, Meditation, Lehrstunde, Meditation, Schlafen. Zehn Stunden Meditation täglich. Zehn Tage lang. Es darf nicht geredet werden, kein Kontakt, auch kein Blickkontakt (Ausnahme sind Lehrer und Mitarbeiter, aber auch hier möglichst kurz halten), jeder soll so isoliert wie möglich arbeiten, kein Lesen, kein Schreiben, kein Internet, kein Handy, keine Musik. Das mag alles zu extrem wirken, zu streng, zu überflüssig, ich war vor dem Kurs auch skeptisch und dachte mir, dass das vielleicht etwas übertrieben ist. Im Laufe des Kurses habe ich aber kapiert, dass es nötig ist. Es ist ein Prozess, der sehr tief gehen kann (auch nicht bei jedem) und das Herumwerken am Unterbewusstsein kann ohne feste Regeln und strikte Anweisungen sogar gefährlich werden. Es ist so. Die Psyche ist sehr angreifbar. Es ist keine Sache, die man eben mal so aus Spaß macht. Ich hatte keine Erwartungen an den Kurs, hatte keine bestimmten Ziele oder Ansprüche. Ich wusste nur, dass es harte Arbeit wird, dass es eine krasse Erfahrung wird und dass es womöglich eine Möglichkeit darstellen kann, meine Gedanken besser unter Kontrolle zu bringen oder besser gesagt, einfach Ruhe in sie zu bringen. Und diesen Wunsch, den habe ich schon sehr sehr lange.

Die ersten drei Tage sind genau dafür gedacht. Erstmal Ruhe in die Gedanken bringen, Aufmerksamkeit gerichtet auf den Atem. Am dritten Tag dachte ich ernsthaft, dass ich wahnsinnig werde. Dabei habe ich nichts anderes getan, als einfach nur meinen Atem zu beobachten. Es probiert. Das ist so leicht gesagt, aber probiert es mal aus. Fünf Minuten Augen zu und man stellt fest, was für ein dickes Chaos im Kopf herrscht. So viele, sooo viele Gedanken, die unwillkürlich ihre wilde und chaotische Party im Kopf halten und mehr Einfluss auf uns haben als die meisten vermutlich denken. Kann auch hin und wieder ganz lustig sein, ich musste mehrmals schmunzeln, aber meistens war es doch einfach nur ein wirres Gequatsche meines Geistes. Obejktiv bleiben, einfach nur beobachten, nicht reagieren, zusehen, zuhören und immer wieder auf den Atem zurück kommen... drei Tage lang.

Dann ging die eigentlich Vipassana-Meditation los. Da geht es nicht mehr nur ums Beobachten des Atems, sondern der Körperempfundungen in einer bestimmten Reihenfolge. Und dazu gehören auch Schmerzen. Diese objektiv beobachten mit dem Gedanken an und der Entwicklung von Gleichmut und dem Wissen, dass sie kommen und von alleine auch wieder gehen, so wie alles. Das war unsere Hauptaufgabe. Still sitzen und nicht reagieren. So viele Schmerzen, so verfickte Schmerzen, es gab Momente, da überkam mich Wut, Hilflosigkeit, Zweifel an der Technik und so wie jeder gab es auch bei mir einen Tag an dem ich einfach nur fliehen wollte. Abgesehen vom physischen Schmerz kommen nämlich auch viele viele Gedanken, Erinnerungen, Gefühle in einem hoch, die sehr aufwühlend sein können und die man einfach gerne da lassen will, wo sie her kommen. Im Unterbewusstsein. Dass beim Rumwühlen in diesem sensiblen Gebiet was aufschreit und fliehen will, das ist natürlich und man muss ebenso dies objektiv betrachten und daran denken, dass es vorbei geht, wenn man es einfach lässt und nicht reagiert. Warum macht man sowas bitteschön? Um den Dreck aus dem Unterbewusstsein zu holen. Dass das Unterbewusstsein und der Körper und die Empfundungen in unmittelbarem Kontakt stehen, das sollte jeder wissen. Es ist wissenschaftlich bewiesen und psychosomatische Störungen sind heute keine Seltenheit. Bei Vipassana geht es darum, erst einmal die Knoten im Unterbewusstsein zu lösen und das äußert sich eben auf körperlicher Ebene. Ich wollte das zu Beginn selber nicht glauben und war die ganze Zeit über skeptisch und forschend unterwegs, aber ich bin nicht die einzige, die dem ganzen so gegenüber stand und noch immer steht. Buddha selber mochte diese Art von Schüler am liebsten. So wird es jedenfalls gesagt. Je skeptischer und fragender man ist, desto besser. Nur offen sollte man bleiben und ja... objektiv.

Was dann? Was, wenn man die Knoten gelöst hat? Das dauert sehr lange und bedeutet viel Geduld und Arbeit, aber im Laufe der Zeit kann man Empfindungen ganz anders beobachten, sehr viel schärfer, genauer, intensiver. Das Gefühl dafür, dass alles kommt und wieder vergeht, in diesem Fall jede Empfindung, wird stärker und es verfestigt sich im Kopf, man erkennt es in allen Dingen. Man wird aufmerksamer, konzentrierter und man lernt objektiver zu sein durch das reine Beobachten. Beispiel: etwas macht einen wütend, so wütend, dass man ausrasten könnte. Man möchte den Grund, der einen wütend gemacht hat, anschreien und kaputt schlagen oder umbringen (im schlimmsten Fall), man ärgert sich weiter und weiter und immer wenn man daran denkt, wird man wieder wütend. Oder man ist traurig über eine Sache und jede Sekunde, die man daran denkt, möchte man weinen. Man kann die Wut oder die Trauer nicht beobachten. Man kann aber seinen Atem beobachten, seinen Herzschlag, die sich definitiv verändern, wenn man in Wut gerät oder in Trauer. Was bringt das? Man bringt sich schneller wieder runter auf den Boden der Tatsachen. Wie gerne steigert man sich in seine Wut rein, malt sich alle möglichen Szenarien aus und verliert dadurch den Bezug zum eigentlichen Problem. Man verliert die Kontrolle. Und das hindert einen daran klar denken und bedacht handeln zu können. Und das führt unweigerlich dazu, dass man sich schlecht fühlt. Und so passiert es immer und immer und immer wieder, wenn man nicht anfängt, sich damit auseinander zu setzen.

Man lernt dadurch auch besser im Hier und Jetzt zu leben und Gedanken an die Vergangenheit und die Zukunft, an das, was sein könnte, aber nicht ist, Gedanken sein zu lassen und ihnen nicht mehr so viel Bedeutung zu geben. Es ist schwer zu beschreiben, sehr. Jeder, der sich mehr dafür interessiert, kann mich gerne anschreiben, anrufen, ausfragen. :)

Ich bin sehr weit von dem Zustand entfernt, den ich gerade beschrieben habe. Ich bin jetzt nicht wie ausgewechselt oder so, ich ärgere mich noch immer darüber, wenn ich mir den Kopf stoße und ich fluche auch weiterhin gerne. Aber es ist tatsächlich anders. Woran ich mich noch immer gewöhnen muss...

Mir ging es die Tage nach dem Vipassana-Kurs sehr komisch. Die ersten zwei Tage nach dem Kurs war ich sehr sehr aufmerksam, ich konnte deutlich spüren, dass ich zehn Tage lang meine Aufmerksamkeit trainiert hatte. Das fand ich sehr spannend, sehr. Ich bin schon immer fasziniert und begeistert von der Plastizität des Gehirns, der Wahrnehmung, der Neurologie. Ich habe ganz deutlich erlebt, was möglich sein kann, wenn man sein Gehirn anfängt mal anders zu benutzen. Es war aber nicht nur toll und ich habe mich keine Sekunde auf einem Höhenflug befunden. Ich war zweitweise richtig niedergeschlagen. Wenn doch eh alles vergänglich ist... und ich habe das wirklich so empfunden, in allem, was ich sah, dachte, fühlte... wo ist da der Sinn? Und was nun? dachte ich. Kann ich jetzt keine Leidenschaft mehr empfinden? Ich liebe Leidenschaft. Kann ich mich jetzt nicht mehr verlieren, wenn ich alles objektiv betrachte? So fühlte es sich an, es ist ebenfalls schwer zu beschreiben, aber jegliche Lebensfreude und Leidenschaft war wie ausgetrocknet. Ich wollte alles wieder rückgängig machen. Ich konnte keine Musik hören, kein Film schauen, Lesen klappte nicht. Sehr verwirrend, sehr.

Ich verließ Kathmandu, weil es mir zu viel war, zu laut. Ich fuhr nach Bandipur, ein sehr kleiner Ort, in dem die Einwohner noch nicht so Touristen-fixiert sind und ihr Leben leben, sich nicht darum kümmern englisch zu lernen und nicht zu allen Touristen freundlich sein müssen. Mir gefällt das. Der Ort erinnert an Nepal vor 200, 300 Jahren. Die Häuser sind im typischen Newari-Stil, ein ganz typischer Architekturstil Nepals und die Nepalesen sind in vielen Hinsichten wahre Künstler. (Und sie sind sehr klein, im Kopf stoßen bin ich Meister.) Ich habe im Bus ein Pärchen kennen gelernt mit dem ich meine Zeit dort verbrachte. Dass ich meinen Freund in dieser Zeit besonders vermisst habe, muss ich vermutlich nicht erwähnen. Aber ich will erwähnen, dass ich den besten Freund der Welt habe, der es sogar schafft, mich zu verstehen und aufzuheitern auch wenn 6000 km Distanz zwischen uns liegen.

Meine Freunde will ich auch erwähnen, die so lieb und klug sind und mich daran erinnerten, dass meine Erfahrungen, die ich hier gerade sammel, sehr wertvoll sind, inspirierend und nicht alltäglich. Auch habe ich in Bandipur jemanden kennen gelernt, der schon mehrere Vipassana-Kurse gemacht hatte und mir klar machte, dass ich mir einfach ein wenig Zeit zur Regeneration geben solle und nicht vergessen dürfe, dass hinter all dem auch was gutes für mich stecke. Sehr viel mehr gab es darüber nicht zu reden. Ich fand es angenehm, wie sachlich er das ganze sah. Als sei es eine Art Ausschlag, der bald wieder verschwindet oder sowas. Kein Blabla, alles ganz pragmatisch als sei es das normalste der Welt.

Auch wenn Bandipur nicht viel zu bieten hat, war ich aktiv. Besonders cool fand ich den Ausflug zur größten Höhle Nepals. Etwa 10 Meter breit, 20 Meter hoch und 450 Meter lang. Eine halbe Stunde kletterten wir im dunkelsten Ort herum, den ich jemals erlebt habe (man konnte wirklich NICHTS sehen und die Taschenlampen spendeten auch nicht sonderlich viel Licht) und es war sehr abenteuerlich und nicht ganz ungefährlich. Ein bisschen Nervenkitzel gehört dazu. Mir kamen auch immer wieder Gedanken an Sadhus, das sind hinduistische Heilige, die teilweise mehrere Jahre oder Jahrzehnte in Höhlen verbringen, abgeschieden von allem um dort zu meditieren und zu leben. Wie manche so ihre Lebenszeit verbringen ist ziemlich spannend...

Ich wollte mich nicht weiter verkriechen und da Pokhara nicht weit entfernt war und Silvester bevorstand, machte ich mich auf den Weg dorthin. Und da sah ich die Berge und spürte wieder dieses fette Herz-Gefühl in mir. "Balsam für die Seele" hat hier echt ne neue Bedeutung für mich bekommen. Ich kam an, setzte mich in ein Cafe in die Sonne am See und freute mich über die E-Gitarren-Musik und dann... oha... stellte ich fest, dass ich mich wieder über Musik freuen kann. Es ist noch immer ein Herantasten, aber ich entdecke das gerade neu und das hätte ich nienieniemals im Leben erwartet, dass ich sowas mal erleben werde. Abends schaute ich einen Film und stellte immer wieder fest, wie dümmlich ich vor mich her grinste. Hat Spaß gemacht. Ich bin ein bisschen wahnsinnig momentan, aber es fühlt sich nicht bedrohlich an.

Ich hatte diese Art von Selbstfindungstrip nicht erwartet und nicht beabsichtigt. Es ist passiert wie die Tatsache, dass ich plötzlich ohne großes Dazutun ein Flugticket nach Nepal besaß. Ja, ich glaube an Schicksal und das ist etwas, was mir bei der ganzen Vipassana-Sache fehlte. Es heißt, jeder hat eine andere Wahrheit, jeder sollte sie erfahren. Keine Ahnung, ob ich gerade wirklich sowas wie "meine Wahrheit" entdecke, aber irgendwas geht in mir vor sich, keine Frage. Es ist klar und bunt. Ja, ich weiß, für manche mag das verrückt klingen und komisch, aber is mir egal. Man muss sich jedenfalls keine Sorgen um mich machen, im Gegenteil. Vielleicht bleibt auch alles, was hier in Nepal passiert in Nepal und zurück in Deutschland wird mir alles wie ein Traum vorkommen, der nach und nach verblassen wird. Und wisst ihr was? Es ist mir egal. Ist es tatsächlich. Ich freue mich einfach nur, dass das alles passierte, passiert und dass ich bald meine Familie und meine Freunde wieder sehen kann.

Mein Silvester war ganz schön. Ich war in Gesellschaft mit einer Schwedin (mit der ich dann auch noch einige äußert entspannte und lustige Tage in Pokhara hatte), zwei Dänen und einem Belgier. Wir waren auf dem Street Festival hier, haben nepalesische Männer beim tanzen/komplett ausrasten beobachtet und waren um 12 dann selber noch tanzen und ich konnte mein Neujahrs-Bier in netter Gesellschaft trinken, das war mir wichtig gewesen.

Es sind jetzt noch 12 Tage, die ich hier in Nepal habe. Ich habe nicht das Gefühl, jetzt noch groß auf Entdeckungstour gehen zu müssen. Ich genieße jetzt meine Tage in Pokhara und noch ein paar in Kathmandu und dann werde ich im Flieger sitzen und krass irritiert sein, wie schnell vier Monate doch vorbei gehen können.

Ich stelle gerade fest, dass dieser Eintrag ziemlich persönlich ist und kurz habe ich überlegt, ob es nicht besser wäre, weniger von mir preis zu geben. Was treibt mich dazu euch das alles zu erzählen? Ich glaube es ist vor allem der Wunsch, verstanden zu werden. Naja und wenn nicht, dann auch nicht schlimm. All meine Gedanken und Eindrücke und Gefühle von hier fest zu halten, dass ist eh unmöglich. Mir kommen gerade so viele Dinge in den Kopf, die ich noch erwähnen könnte. Aber ich kümmer mich jetzt lieber mal um diese Sache, die sich "Hier und Jetzt" nennt und dazu bestelle ich mir einen heißen Kaffee. <3

Ach und wenn ich schon dabei bin, will ich das ganze noch abrunden: mein größter Wunsch ist Weltfrieden und mehr Humor hinter allen Dingen.

Auf ein neues... mal sehen, was 2015 so für uns bereit hält...

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Donnerstag, 13. November 2014
3
Habe ich eigentlich schon einmal erzaehlt wie ich darauf gekommen bin nach Nepal zu reisen? (Den meisten von euch vermutlich schon.)

Lange lange hatte ich vor gehabt als AuPair/Ergotherapeutin nach Australien oder in die USA zu gehen um dort in einer Familie mit behindertem Kind zu leben und zu arbeiten. USA oder Australien war monatelang die Frage. Monatelang. Alleine dass sich das alles ewig hinzog zeigte mir schon waehrend dieser Zeit, dass ich irgendwie ein Problem mit der Vorstellung hatte. Ich ignorierte das Gefuehl, schliesslich war das doch eine so tolle Moeglichkeit fuer mich und sowieso ist das doch auch gut fuer den Lebenslauf und vielleicht bekomme ich so neue Ideen und Impulse fuer mich als Ergotherapeutin und… dann… ja… wurde ich immer zoegerlicher und obwohl ich die ersten Skype-Interviews mit den Familien am Laufen hatte und alles so aussah als wuerde es blad los gehen, konnte ich dieses Gefuehl in mir, das dagegen sprach einfach nicht abstellen. Und auch nicht mehr ignorieren. Was ebenfalls fuer das Programm sprach war die Tatsache, dass ich so endlich mal weg konnte. Endlich mal das machen, was ich schon seit ueber zehn Jahren machen wollte. Eine andere Kultur, andere Menschen, eine andere Umgebung kennen lernen. Aber tjoa... was tun jetzt wo ich mich gegen das AuPair-Ding entschlossen hatte? Ich hatte meinen Job geschmissen, der mich mehr als unglueckich gemacht hat, arbeitete wieder in meinem geliebten Teeladen und lebte von Ersparnissen. Wie also reisen mit so wenig Geld? Diese Frage habe ich mir jahrelang gestellt, jetzt aber erst wurde ich wirklich aktiv, wollte es also womoeglich erst jetzt so richtig richtig.

Australien fiel allein wegen den Flugkosten weg, USA reizt mich allgemein nicht so sonderlich. Ich erfuhr, dass man so gut wie ueberall auf der Welt auf Farmen arbeiten und leben kann, was mich ebenfalls sehr ansprach. Mal was komplett anderes machen. Frische Luft, Natur, Pflanzen, Tiere, saucool. Nach Norwegen wollte ich schon immer mal oder Portugal und irgendwann hatte ich doch diese Nepal-Doku im Fernsehen gesehen, die mich so neugierig gemacht hat… ich schrieb also mehrere Laender an, ganz entspannt und ohne grosse Erwartungen. Norwegen war zu dem Zeitpunkt mein Favourit. Norwegen im Winter, bravo Corinna.

Eines schoenen Augustmittages sass ich waehrend der Arbeit im Laden und mich erreichte eine aeusserst liebenswuerdige email aus Nepal. Die Moeglichkeit hier auf Farmen zu arbeiten ist enorm hoch. Erfreut darueber, aber in Gedanken noch bei Norwegen, schaute ich rein aus Interesse nach Flugpreisen nach Nepal. Ich war irritiert als ich die billigsten Fluege zu genau meinem Wunschzeitraum fand. Schon eine Woche vor- oder nachher haetten mich die Fluege mehrere hundert Euro mehr gekostet. Ok. Also ich glaube ja an Zeichen und all das, bin in den letzten Jahren aber diesbezueglich skeptischer geworden und distanzierter. Verschlossener ist wohl der passendste Ausdruck. Also legte ich nicht allzu viel Bedeutung in die Sache. Als dann aber eine Stunde spaeter ein Nepal-T-Shirt den Laden betrat, war ich endgueltig verwirrt. Ich musste hinhoeren. Noch bevor ich die Moeglichkeit bekam mit der Traegerin des T-Shirts zu reden, hatte sie den Laden schon verlassen. Also Fluege reserviert, ein erfrischend gutes Gefuehl verspuert, eine Nacht drueber geschlafen und am naechsten Tag die Fluege gebucht. Inklusive diesem fetten Gefuehl alles genau richtig zu machen.

Ihr wollt sicher jetzt mal was von Nepal lesen, hm? Ein paar Bilder und spannende Geschichten und so weiter… Geduld Geduld. Das ist hier in Nepal nicht nur eine Tugend, sondern eine Art Grundgesetz.

Aber ok. Nagarkot. Ein kleiner Ort nicht weit entfernt von Kathmandu, der aufgrund seines tollen Ausblicks viele Touristen anlockt. Dort in der Naehe lebte ich also die folgenden zwei Wochen in einem Homestay mit Pramila und Shanta. Pramila verliess vor elf Jahren ihren Mann, zog alleine mit ihren zwei Kindern von Chitwan nach Kathmandu um dort arbeiten zu koennen und nach zehn Jahren als Lehrerin kaufte sie sich dieses Jahr das kleine Stueckchen Land in der Naehe von Nagarkot und moechte jetzt ihren Traum verwirklichen und dort selbstversorgt leben und Frauen einen Ort bieten, die einen sicheren Ort benoetigen. Shanta beispielsweise lebte und arbeitete in der Nachbarschaft fuer zwei Personen, ein Arzt und eine Heilerin. Sie kuemmerten sich aber einen Dreck um Shanta und halfen ihr nicht einmal als sie aus mehreren Metern Hoehe von einem Baum fiel. Seitdem lebt sie bei Pramila. Zu ihrer Familie kann und will sie nicht mehr, da ihre aelteren Brueder “nicht nett sind” wie sie mit einem Laecheln sagte. Es spielt auch eine Rolle, dass sie nicht verheiratet ist und somit noch Recht auf das Erbe der Eltern hat, was ihre Brueder natuerlich sehr stoert. Als ich das alles hoerte und waehrend der zwei Wochen, die ich mit diesen froehlichen und klugen Frauen verbracht habe, bin ich nachdenklich geworden. Wir alle wissen von den Umstaenden unter denen viele Frauen hier leiden, so nah war ich dem ganzen aber noch nie. Wie auch? Pramila ist jedenfalls eine bemerkenswerte Persoenlichkeit, ihr gehoert mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Man koennte ein Buch ueber sie schreiben. Dafuer fuehle ich mich aber nicht in der Lage. Sicher ist jedenfalls, dass ich im Januar noch ein paar Tage bei ihr verbringen werde.

Aber hey, das klingt alles viel nachdenklicher und ernster als es war. Es war genau das Gegenteil. Als ich ins Haus kam, fielen mir sofort die vielen Bilder an den Waenden auf, die von anderen Volunteeren vor mir gemalt wurden, die selbstgebastelten Sachen, die vielen Buecher, ein paar Instrumente und der Ausblick vom Balkon hat auch alles andere als eine truebe Stimmung hervor gerufen.

Pramila liebt Kunst, das Malen, Singen, Tanzen und die zwei Wochen erlebte ich als inspirierend und froehlich. Ich lernte nepalesische Lieder, malte Bilder, haekelte Muetzen fuer ihren Shop und kuemmerte mich um die vorbei kommenden Touristen, gab ihnen kostenlosen Tee und hatte viele Gespraeche mit Leuten aus der ganzen Welt. Hier moechte ich eine Anwaeltin aus Deutschland erwaehnen, die schon nahezu die ganze Welt bereist hatte. Zwischen uns hat die Chemie auf Anhieb gestimmt und so erzaehlte sie mir leicht verschaemt, dass sie nach Nepal gekommen sei, weil sie neugierig war wie es hier riecht. Das fand ich ein bisschen verrueckt und cool. Mit feuchten Augen meinte sie dann, dass sie so gluecklich sei, denn es sei genauso wie sie es sich vorgestellt hatte. (Ich belies es dabei, fand das erneut verrueckt und suess und erwaehnte nicht wie ekelhaft ich diesen Smog-Gestank in Kathmandu finde, igitt…)

Das isses:
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Zu meiner grossen Freude kamen die letzten paar Tage noch Sabrina aus Kassel und Judith aus Potsdam dazu und wir hatten eine schoene Zeit, spielten abends Karten und machten Musik oder schwiegen auch einfach mal einen kompletten Tag, weil Pramila der Gedanke gefiel und es ausprobieren wollte.

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Momo-Session.

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Genau das sah ich jeden Morgen noch im Bett liegend, da mein Bett direkt neben dem Fenster stand. Hinten sah man normalerweise noch das Gebirge.

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Ja und das Bild find ich einfach nur irgendwie witzig.

Auch gab es wieder ein Fest zu feiern, Tihar. Das zweitgroesste hinduistische Fest, dass ueber mehrere Tage geht. Am letzten Tag wird jedoch hefitg gefeiert, es gibt ne Menge Suessigkeiten…

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Ein vorbei kommender Tourist aus Belgien hatte am selben Tag wie Sabrina und ich den Plan zum Changu Narayan zu wander, ein Tempel und Weltkulturerbe ein paar Stunden entfernt zu Nagarkot. Also schliessen wir uns ihm an und hatten ebenfalls eine schoene Zeit.

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Abends erzaehlte der Belgier, dass er nach Pokhara weiter zieht, eine Stadt (DIE Touristenstadt hier schlechthin) am Fusse des Annapurna und dem dazugehoerigen sehr beliebten Trekkinggebietes. Eingeplant hatte ich diesen Ort am Ende meiner Reise, aber aehnlich eingebungsvoll wie die ganze “so bin ich nach Nepal gekommen”-Geschichte und die Gefuehle dabei, empfand ich den Moment und wollte nach Pokhara. Das Gefuehl passte, die Zeit passte, da ich eh weiter wollte und meine geplante Route schon mehrere Tage nich so ganz meiner Stimmung entsprachen. Also “warum den Pudding bis zum Schluss aufheben, wenn man eigentlich schon voll is?”

Also Pokhara. Hier bin ich nun seit ein paar Tagen, weiss nich genau, wie viele. Viel Sonne, Wasser (grosser Lake), viel Musik, Berge, eine Menge rumschlendernder Hippies und viele andere entspannte Leute. Ein Haufen Cafes und Restaurant, liebevoll und cool verziert. Ich geniesse das gerade sehr, bin entspannt wie… ich glaube wie noch nie. Fuehle mich inspiriert, habe mir Farben gekauft, einen Ort gefunden an dem ich jederzeit ein wenig Gitarre spielen kann (auch wenn es nicht vergleichbar ist mit einer eigenen Gitarre im eigenen Zimmer). Fuehle mich anders hier. Die Zeit laeuft anders, manchmal hat man das Gefuehl, dass sie gar nicht existiert. Es ist teilweise wirklich paradiesisch.

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Der Blick von meinem Balkon.

Es klingt alles so super und toll und entspannt was ich hier so schreibe, ich habe hier aber vor wenigen Tagen ein ziemlich aufwuehlendes Tief erlebt, das ich erwaehnen will, da solche Momente ebenso zum Reisen gehoeren wie Sonne und schoene Augenblicke in schoenen Cafes mit schoenen Menschen und schoener Musik.

Es ging in meinem Kopf um viele Dinge, ich dachte einfach unglaublich viel. Einsamkeit war Topthema. Ich habe mich alleine gefuehlt, sehr. Ich wanderte am Lake entlang, die Sonne schien mir ins Gesicht, ich setzte mich in ein huebsches Café keine 20 Meter vom Wasser entfernt, trank einen leckeren frischen Saft und genoss den Ausblick auf die Berge und deren Spiegelbild im Wasser. Es war nahezu perfekt. Aber ich war alleine. Und je schoener die Momente waren, desto schlimmer fand ich diese Tatsache.

Ich glaube alles fing an meinem Geburtstag Ende Oktober an. Die meisten Nepalesen feiern diesen Tag nicht. Ich war alleine bei Pramila und Shanta und dachte den ganzen Tag an meine Familie und meine Freunde. Irgendwann lief ich nach Nagarkot, spazierte rum, versuchte mit meinem Freund zu skypen, was nicht funktionierte, stiess mir den Kopf ganz schoen uebel und war irgendwie nicht in Feierlaune. Ich kaufte mir einen Ring als Geburtstagsgeschenk, was schoen, aber eben auch irgendwie traurig war. So war es auch hier anfangs in Pokhara. Alles super schoen, aber irgendwie auch traurig. Viele, die mich kennen, wundern sich jetzt vielleicht. Mir war es auch neu, dass ich so Schwierigkeiten haben kann neue Leute kennen zu lernen und auf sie zuzugehen. Ich war aber einfach gefangen in dem Gefuehl. Meine Wahrnehmung war auf eine Art und Weise verzerrt, die mich zwang mich mit den Gefuhelen auseinander zu setzen. Es schien wichtig zu sein. Ich hatte irgendwann das Gefuehl, dass es vielleicht einfach so sein soll. Und dass das auch irgendwann vorbei geht. Auf meinem Bett liegend und denkend, die Schatten beobachtend, ueberliess ich alles der Zeit.

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Ich wusste dann, was wichtig war. Bewusst dafuer sorgen ueber Wasser zu bleiben, lesen, malen, einfach aktiv bleiben, unter Leute gehen, auch wenn man keine Lust darauf hat, aber alleine sein macht das Alleinesein noch schlimmer. Und vor allem: lieb zu sich zu sein. Das klingt so platt, ist aber so wichtig. Das klingt eh alles nach "Das wusste ich doch schon vorher", hat hier aber nochmal eine ganz neue Bedeutung bekommen. Und ich habe einfach akzeptiert, dass es Tage gibt, an denen ich einfach keine Macht ueber meine Gedanken und Gefuehle habe und sie hin nehmen muss. An denen ich einfach mal total small-talk-muede bin und mich einfach nicht auf meinen Gespraechspartner konzentrieren kann und vielleicht auch gar nicht will.

Alleinsein ist jedenfalls etwas, was ich hier sehr gut lerne. Aber an einem Ort wo viele gut gelaunte Traveller unterwegs sind und zusammen Spass haben, hat mich das erstmal etwas zu nachdenklich gestimmt. (Ich muss aber auch erwaehnen, dass ich nicht eine Minute daruber nachgedacht habe nach Hause zu wollen. Das war nie Thema. Es ist was anderes als Heimweh. Im Nachhinein faellt mir auch auf, dass ich nicht einmal geheult habe, was sonst in schweren Zeiten ziemlich typisch fuer mich Heulsuse is. )

Nun, “alles geht vorbei”. Und so regenierten sich mein Kopf und mein Herz fast ohne Dazutun und ich ertappe mich immer oefter entspannt in small-talks oder auch in weniger smallen und laechel viel herum und freu mich einfach nur extremst, dass ich hier bin.
Ich habe neuerdings auch nette Nachbarn. Lucy aus Australien und Markus und Manuel aus Oesterreich. Es ist cool und gestern wanderten wir zusammen zur World Peace Stupa. Seit drei Wochen denke ich darueber nach, dass ich gerne Trekken gehen wuerde. Und so Ein-Tag-Trekks befriedigen mich einfach nicht. Der Blick jeden Tag auf den Himalaya haben was in mir angestellt und ich hatte manchmal das Gefuehl, dass die Berge fluestern. “Corinna, komm her…” Jaja ich weiss, albern. Ich darf das, ich bin in Nepal.

Gestern auf dem Weg zur Stupa wurde aus dem Fluestern ein Rufen als die Berge so nah wie nie vor mir im Himmel auftauchten. Es wirkte surreal, nicht moeglich, das auf nem Foto zu zeigen. Ich hatte keine Ahnung, was fuer eine enorme Anziehungskraft Berge auf mich haben koennen.

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Aber alleine trekken? Welch Zufall… hust… dass Manuel und Markus am Montag einen fuenf-Tages-
Trek starten. “Ich kann mir das eigentlich nicht leisten.” Dieser Satz ist eingebrannt in meinem Hirn. “Man braucht ne Genehmigung, die teuer is und Klamotten leihen kostet und n Eintritt fuer das Gebiet gibt es auch und das Essen ist so teuer und…” Blaaablabla. Diese Gedanken haemmern seit Wochen auf meinen Wunsch ein, versuchen ihn zu baendigen. Klappt nicht. Die Berge rufen zu laut.

Gegen jegliche Vernunft starte ich also hoechstwahrscheinlich am Montag in die Berge. Hier wird Vernunft einfach anders definiert. Und alles andere wird sich klaeren. Sollte ich am Ende wirklich pleite sein, mach ich hier n Spendenaufruf oder geh betteln wie so viele hier.

Und Mama, die Antwort auf deine Frage, ob alle Menschen hier so huebsch sind wie auf meinen Bildern ist eindeutig. Ja, sie sind es. Und wenn nicht, sind sie nicht minder interessant. Was mich mindestens genauso fasziniert und neugierig macht wie die Berge, sind es die Menschen hier und die Gesichter. Ich habe schon viel Zeit damit verbracht, Leute einfach nur zu beobachten (das ist uebrigens auch ne Faehigkeit, die ich an vielen Nepalesen beobachten kann) und es wird nie langweilig.

Wahr:

(http://vimeo.com/84254870)


Also dann...

I love you, bis zum naechsten Mal.


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Freitag, 17. Oktober 2014
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Vorweg. Ich habe den Blogeintrag gestern verfasst bevor ich von dem Schneesturm-Unglueck erfahren habe. Es ist sehr schlimm und ein bisschen truebt es meine Stimmung heute frueh. Mein tiefes Mitgefuehl geht an alle Angehoerigen und Freunde der Opfer.

Meine Euphorie mit der ich gestern Abend den Eintrag verfasst habe, ist etwas verblasst und mir kommt der Eintrag schon fast etwas naiv vor. Ich bin trotz Hoehenflug stets vorsichtig und mir ueber Gefahren hier bewusst. Man muss sich um mich nicht sorgen. Ich habe das Trekken in den Bergen auf den naechsten Nepal-Aufenthalt verschoben. ;) Und andere Gefahren versuche ich ebenfalls aus dem Weg zu gehen, vielleicht sogar zu sehr, aber ich habe es versprochen, dass ich auf mich aufpasse. Nepal ist zusaetzlich im Gegensatz zu Indien z.B. sehr viel einfacher und sicherer zu bereisen, das bestaetigt hier auch jeder Traveller, der schon dort war. Natuerlich gibt es auch hier immer wieder Leute, die in mir als Touristin eine Geldmaschine sehen, die man verarschen kann und auch sonst gibt es hier und da recht skurrile Wesen. Man muss kuehl bleiben und viel ignorieren und einen klaren Kopf bewahren. Alleine auf dem kurzen Weg zum Internetstore gerade wurde ich von fuenf Bettlern teils sehr penetrant... ja, man kann belaestigt worden sagen. Ach herrje, ich verliere mich schon wieder in Gedanken, dabei wollte ich nur ein kurzes "Vorweg" verfassen. Wichtig zu erwaehnen an dieser Stelle aber ist noch, dass mir vor allem die Menschlichkeit und Offenheit der Nepalesen gefaellt und ich mich hier vor allem durch sie so gut fuehle. Aber ach... lest selbst:

Die vielen Eindrücke, der anfaengliche Kulturschock und die neue Umgebung waren wohl Grund, dass ich schon nach drei Tagen Fieber bekam. Eine Woche lang verbrachte ich größtenteils im Bett meines Guesthouses und in einem kleinen, sehr gemütlichen Restaurant (mittlerweile eine Art Heimat) mit einer älteren, herzlichen und witzigen Dame, die mich auch netterweise zu einem tibetischen Mönchsarzt brachte. Es wurde sich rührend um mich gekümmert. Auf heißes Wasser schwört hier jeder und ich kann nur bestätigen: es hilft.

Obwohl gebunden an mein Bett erlebte ich trotzdem ein kleines Abenteuer als eines Nachts ein Gewitter über Kathmandu zog. Selbst mir als Gewitterliebhaberin jagte es ein klein bisschen Angst ein. Blitze so hell, dass sie blendeten. Fast zeitgleich Donner, die mir in den Ohren weh taten. Das Fieber schärfte mein Empfinden zusätzlich. Und als sei das nicht genug, bebte bei jedem Blitz (Abstände zwischen den Blitzen lagen bei wenigen Sekunden) die Erde wie ich es ebenfalls zuvor noch nie erlebt hatte. Und das ganze ging über eine Stunde. Zwei Tage später erfuhr ich aus der Zeitung, dass bei dem Gewitter fünf Menschen umgekommen und sechs schwer verletzt wurden. Traurig. So etwas kommt auch hier selten vor. Eingeschüchtert von der Natur und platt vom Fieber lag ich also im Bett rum und zählte die dunklen Flecken an meiner Decke.

Nachdem ich wieder gesund war, ruhte ich mich noch wenige Tage in Bodnath aus und sammelte Kraft. Ich traf nette Menschen, durfte in den Genuss einer Singing-Bowl-Therapie kommen (Klang und Vibration sollen Körper und Geist in Schwingung versetzen und auf bestimmte Weise eingesetzt zu Heilung verhelfen) und mit Klangschalen spielen, besuchte Tempel, erkundete den Ort und das Essen, bekam viele Eindrücke über Buddhismus und war dabei als ein wichtiger Buddhist (ein ähnlich hohes Tier wie der Dalai Lama, genaue Erklärung würde jetzt zu lange dauern) die Stadt besuchte um hier seinen Geburtstag zu feiern. Tausende von Menschen aus ganz Nepal kamen angereist und einen ganzen Tag lang gab es kleine Konzerte und Tanzauftritte ganz im Nepal-Style.

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Ich begann unruhig zu werden und wollte weiter ziehen. Da das größte Hindu-Festival, Dashain, bevor stand, war es schwer ein Bus-Ticket zu beschaffen, da die meisten (wie bei uns zu Weihnachten) zu diesem Fest in ihre Heimat fahren. Mein Ziel war eine Teefarm weit weit im Osten. Aber wieder mal mit der Hilfe der Einheimischen bekam ich ein Ticket nach Ilam schon zwei Tage später. (Und eine kostenlose Fahrt im asiatischen Festival-Verkehr auf einem Motorbike... mulmig zu Beginn, gegen Ende im Flow).

Tag der Abreise. Nach 5 Stunden Verspätung und vielen vielen unterschiedlichen Auskünften bezüglich meines Busses erreichte dieser tatsächlich noch den Busbahnhof (sehr groß, sehr voll, sehr laut). Wieder mal nur mit der Hilfe von einer netten Familie, die am Busbahnhof ein kleines „Café“ betreibt und mir während der Wartezeit immer wieder Tee gab und mich zwang mich hinzusetzen und zu relaxen (klappte gegen Ende erstaunlich gut), bekam ich meinen Bus. 18 Stunden eingequetscht (Gruß an Britta), kein Schlaf, ne Menge Hitze, überflutete Raststättenklos und kotzende Menschen (die Fahrt war sehr sehr ruckelig und unbequem) und ich kam erschöpft und mit wackligen Knien in Phikal an, ein Ort ganz im Osten Nepals, wo ich für zwei Wochen auf einer Teefarm lebte und arbeitete. Und zusätzlich das nepalesische Farm-Leben und die Mentalität der Menschen anfing in mein Herz zu schließen.

Und weil ich euch nich mit so viel Geschreibsel langweilen will:

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(Tiefer Schlaf und eine Menge bunter und abgefahrener Träume...)


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(Ich vermisse meine Gitarre. Sehr.)


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(Momo nennt sich eine nepalesische Nationalspeise und ist eine Teigtasche gefüllt mit einem Brei aus Kraut und... variiert... Das Kochen mit den Leuten hat mir immer besonders viel Spaß gemacht.)


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(Kaushila und ich beim Rollen des Tees.)


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(Einer meiner Lieblingsorte, der Feuerofen. Peace.)


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(Green. Golden. Black. Alle vom selben Strauch, alle anders verarbeitet.)


Ich habe ja oben schon von dem großen Hindu-Fest geschrieben... Es war schön inmitten einer großen Familie zu sein, so viel anders als zu einer Familienfeier in meiner Familie war es nicht. Leider verstand ich kein Wort, aber die Art wie alle miteinander umgingen und wie sie redeten und lachten erinnerte mich arg an meine Familie.
Ein paar Worte Nepali kann ich schon, was zu manch Erheiterung führte.

Nach einem ganzen Tag umgeben von dutzenden Nepalesen und viel Gequassel um mich herum (und viel Lachen), war ich sehr erschöpft und kam mir etwas verloren vor. Es ist nicht alles nur wunderbar gewesen und ich will auch die Gefühle und Gedanken hier erwähnen mit denen ich anfangs etwas zu kämpfen hatte. Es hielt sich alles in gesunden Grenzen und ist bestimmt normal für jemanden, der zum ersten mal alleine reist und sich in einem fremden Land mit riesigen Spinnen zurecht finden muss, in dem man als Albino ständig angestarrt wird als wäre man ein Alien und um sich herum kein Wort versteht. Aber ich kam von Tag zu Tag immer besser damit zurecht und es gab trotz alledem nicht einen Moment in dem ich es bereut hatte hier her gekommen zu sein. Es gibt nur hier und da Momente, die ich zu gerne teilen würde oder die ein oder andere Person einfach gerne an meiner Seite hätte...

Aber mir geht es sehr gut und ich war glaube ich schon lange nicht mehr so ausgeglichen wie ich es gerade bin. Auch die Momente in denen ich die Armut hier stärker wahrnehme und in denen ich mal ungeduldiger und nicht so gut drauf bin (ja, natuerlich gibt es die), bringen etwas mit sich, was mich runter holt und mein Bewusstsein schärft. Über mich selbst, meine Gewohnheiten, meine Bedürfnisse, meine Macken und Bewusstsein über das, was ich in Deutschland habe und hier nicht. Erfahren, dass man bewusster über sein Leben denken kann wenn man auf Reisen ist, ist etwas anderes als es nur zu wissen. Das Wissen hatte ich schon vor meiner Reise. Hm. Jedenfalls...






...








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... ist das die kleine Wassermuehle auf der Farm, in die ich mich etwas verliebt habe.

Nach einer sehr viel angenehmeren Rückfahrt (magisch: das erste mal das Himalaya-Gebirge gesehen, angestrahlt von der Morgensonne) bin ich nun wieder in Bodnath und gönne mir ein paar Tage Rast und buddhistische Gesänge und Wanderungen um die Stupa. Wobei ich schon jetzt nach zwei Tagen merke, dass ich kein Bock mehr auf Stadt und den Lärm hier habe und mich meine ersten Erfahrungen auf einer Farm hier ganz schön heiß auf mehr gemacht haben. Die Einfachheit und die kleinen Dinge sind es, die dort zählen und das gefällt mir sehr sehr gut.

Mit diesen Worten verabschiede ich mich für dieses mal und hoffe, dass es euch allen gut geht.

Namaste.




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